5.
Eine-Welt-Filmpreis
NRW beim 20. Fernsehworkshop Entwicklungspolitik
und
Sonderpreis
"Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt"
Zum 5. Mal wurde während
des Fernsehworkshop Entwicklungspolitik, der vom 14.-17.05.2009 in der Ev.
Akademie Arnoldshain stattfand, Filme für den Eine-Welt-Filmpreis NRW vorgeschlagen. Der
Preis wird vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen
und Integration des Landes NRW gestiftet.
Mit dem
Preis
werden Arbeiten von Autorinnen und Autoren gewürdigt, deren
Filme für Probleme in Ländern des Südens sensibilisieren, die aber auch
Ansätze zur Veränderung aufzeigen und einen Perspektivwechsel ermöglichen.
Die Mitglieder der
Jury:
Shaheen Dill-Riaz Filmemacher und
Produzent, Berlin
Sabine Freudenberg Journalistin,
Regensburg (für den Sonderpreis
„Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten
Welt")
Lutz Gräfe Filmjournalist,
Köln
Irina Grassmann Ev.
Medienzentrale, Medienhaus GmbH, Frankfurt/M.
Hanns-Georg Helwerth Landesmedienzentrum
Baden-Württemberg, Stuttgart
Dr. Franz Kössler ORF,
Red. Weltjournal, Wien
5. Eine-Welt-Filmpreis NRW
Memory
Books – damit du mich nie vergisst
Ein Film von Christa Graf. Deutschland,
Schweiz 2008, 90 min.
Im
Schein der Öllampe putzen sich Dennis und Chrissi jeden Abend die Zähne.
Sehr gewissenhaft achtet der 10-Jährige dabei auf seine kleine Schwester.
Die beiden sind Vollwaisen, zwei von etwa 2 Millionen Aidswaisen Ugandas.
In dem ostafrikanischen Land ist daher ein besonderes Projekt entstanden:
„Memory Books“. Aidskranke Frauen werden angeregt, zusammen mit ihren
Kindern Erinnerungsbücher zu schreiben. Offen und ehrlich, gleichzeitig
aber auch sehr sensibel wird den Kindern nahe gebracht, dass sie bald auf
sich allein gestellt sein werden. Zugleich erhalten sie eine
Familiengeschichte, die ihnen für die Zukunft ohne Mütter Halt und
Orientierung bietet.
Die Filmemacherin Christa Graf stellt
den Prozess des Erinnerns in den Mittelpunkt ihres Films. Respektvoll,
fast zärtlich nähert sich die Kamera den Protagonistinnen, gibt ihnen Würde
und Raum, sich in ihren Gedanken und Gefühlen zu entfalten. Die
Achtsamkeit, mit der die Familiengeschichten erzählt und schriftlich
festgehalten werden, stärkt den Zusammenhalt, gibt den Frauen aber auch
neues Selbstbewusstsein und Status. So entsteht eine Auseinandersetzung
mit dem eigenen Schicksal, in der Aids kein Tabu mehr darstellt. Die
Tonspur mit einer Musik, die die Stimmung des Films unterstreicht, und der
einfühlsamen Erzählstimme von Eva Mattes, trägt zu dem außergewöhnlich
intensiven Filmerlebnis bei.
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Gold
über alles
Ein Film von Robert Nugent. Frankreich, Australien 2007, 52 min.
In
einer verlassenen Region von Guinea, Westafrika, trifft eine große
Aufbereitungsanlage für eine Goldmine ein. Für die ortsansässige Bevölkerung
eröffnet die Mine auf den ersten Blick neue wirtschaftliche Möglichkeiten.
Das Verhältnis zwischen den Arbeitssuchenden vor Ort und dem ausländischen
Personal, angezogen vom Gold und schnellem Gewinn, birgt aber auch ein
hohes Maß an Konflikten. Im Fall von Schwierigkeiten ziehen die Betreiber
der Anlage das Militär hinzu. Der Film zeigt, wie das Gold, das in großem
Stil auf Kosten der Natur aus dem Boden befördert wird, das Leben der
Menschen, die in seiner Nähe leben, verändert, und er porträtiert jene
Menschen, die mit diesen Veränderungen zu kämpfen haben.
In seinem formal außergewöhnlichen Film gelingt es Robert Nugent am
Beispiel des Goldabbaus in Guinea eine Parabel auf Ausbeutung und
Postkolonialismus zu entwerfen. Die gigantische Naturzerstörung, die mit
dem Goldabbau einher geht, wird in den Bildern überdeutlich; die krassen
Unterschiede zwischen den Lebenswelten der Firmenmitarbeiter und der
einheimischen Bevölkerung, die ihren Lebensunterhalt mit kleinsten
Golderträgen bestreitet, werden in symbolischen Bildern hervorgehoben.
Mit dem Griot, der das Geschehen als Beobachter und Betroffener
kommentiert, führt Nugent ein typisches Gestaltungselement des
afrikanischen Spielfilms in seinen Dokumentarfilm ein. Das starke
Schlussbild, in dem ein Flugzeug mit dem Gold an Bord über eine verwüstete
Landschaft davon fliegt, verdichtet die Aussage des Films und betont die
Absurdität der Situation.
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Deweneti.
Irgendwo in Afrika
Ein Film von Dyana Gaye. Senegal
2006, 15 min.
Der
lebenslustige Junge Ousmane lebt in Dakar, der Hauptstadt Senegals, und
verdient sich auf geschickte Art seinen Lebensunterhalt: Er verkauft einem
Polizisten, einer Marktfrau und anderen Personen seine Dienste, indem er
ihnen verspricht, für sie zu beten und dafür zu sorgen, dass sich ihre Wünsche
erfüllen. Als Ousmane in einem Spielwarengeschäft eine Schneekugel mit
dem Weihnachtsmann entdeckt, beschließt er, die Wünsche seiner
Kundschaft von nun an ernst zu nehmen und sie in einem Brief an den
Weihnachtsmann festzuhalten. Da ihm der Imam beim Verfassen der Wünsche
nicht helfen will, sucht Ousmane einen Schreiber auf, der ihm den Brief für
500 Francs mit der Schreibmaschine schreibt. Auf die Frage, ob er selber
denn keinen Wunsch hat, meint Ousmane nur „Doch, natürlich“. In den
Brief will er seinen Wunsch aber nicht aufnehmen, denn er weiß, dass es
in den Straßen von Dakar schon bald zu schneien beginnen wird.
Der 15-minütigen Kurzspielfilm behandelt wie beiläufig viele Probleme
afrikanischen Alltags: Korruption und Analphabetismus, die Rolle der Frau
oder der Gegensatz von Stadt und Land werden anhand einzelner Personen,
die Ousmane auf seinem Weg durch die Stadt trifft, aufgegriffen. Auf
humorvolle und ironische Weise eröffnet der Film nicht nur für Kinder
Einblicke in afrikanische Themen, wobei die außergewöhnliche Musik dem
Film eine weitere Ebene hinzufügt. Das märchenhafte Ende regt darüber
hinaus zur fantasievollen Auseinandersetzung an.
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Filmempfehlung
Die
Weggeworfenen. Geschichte einer Abschiebung
Ein
Film von Lutz Ackermann, Anita Blasberg, Marian Blasberg. Deutschland
2008, 45 min.
Im
September 2006 wurde die Familie Kpakou aus Togo abgeschoben, nachdem sie
13 Jahren in Deutschland gelebt hatte. Mit dem ersten europäischen
Sammelabschiebeflug, der von Deutschland organisiert war, wurden sie zurück
nach Togo gebracht. Nur Vater Christopher Kpakou lebt noch immer in Cölbe,
unweit von Marburg, weil er
am Tag der Abschiebung zusammenbrach und nicht transportfähig war.
Bis heute überweisen ehemalige Nachbarn und Freunde regelmäßig Geld
nach Togo, um Existenz und Ausbildung der Kinder zu sichern. Diese sind in
Deutschland aufgewachsen, waren in Cölbe integriert, lebten und fühlten
sich als Deutsche. Jetzt lernen Celestine und ihre Schwestern Schneidern,
ihre deutsche Schulbildung nutzt ihnen im afrikanischen Alltag nichts, die
dort notwendigen Überlebenstechniken haben sie nicht gelernt.
Von ihren Kolleginnen werden sie als die „Weggeworfenen“ verspottet,
die mit leeren Händen aus Europa zurückgekommen sind. Ihr jüngere
Bruder Richie bereitet sich in Ghana auf sein Abitur vor, wohin er mit
seiner Mutter gezogen ist, weil dort in englischer Sprache unterrichtet
wird. Die Familie driftet langsam auseinander. Die 18jährige Belinda hat
es nicht mehr ausgehalten und ist seit Monaten spurlos verschwunden. Ihr
älterer Bruder Kokou macht sich auf die Suche nach ihr.
60
Jahre Grundgesetz: Der Film stößt die Auseinandersetzung mit der
deutschen Abschiebepraxis an und dokumentiert, wie diese Praxis gegen die
im Grundgesetz formulierten Grundrechte verstößt. Am Beispiel der
Familie Kpakou wird gezeigt, wie funktionierende Familien unter Einsatz
erheblicher finanzieller Mittel auseinander gerissen und dorthin
transferiert werden, wo sie keine Existenzgrundlage haben, so dass sie nur
durch privat organisierte Entwicklungshilfe überleben können. Dies alles
offenbart einen wirtschaftlich absurden und unmenschlichen Umgang mit
Menschen, die einen Großteil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben
und regt erneut die notwendige Diskussion über Abschiebungen an, die alltägliche
Realität sind, sowie über die Würde des Menschen, die unantastbar ist.
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Sonderpreis
"Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt"
Alptraum
im Fischerboot. Afrikas Flüchtlinge und Europas Fischereipolitik
von Klaus Martens und Michael Grytz. Deutschland 2007, 60 min.
Der Evangelische
Entwicklungsdienst hat im Rahmen des 20. Fernsehworkshop
Entwicklungspolitik den Sonderpreis "Zukunftsfähiges Deutschland
in einer globalisierten Welt" ausgeschrieben, der sich auf Themen der
gleichnamigen Studie bezieht. Es geht hierbei um Fragen der Nachhaltigkeit
und Zukunftsfähigkeit sowie um die Auswirkungen der Globalisierung.
Der Dokumentarfilm zeigt am Beispiel
westafrikanischer Staaten, welch unselige Auswirkungen die
Fischereipolitik der Europäischen Union hat: Die kleinen Fischer von
Senegal und Mauretanien verlieren durch die Konkurrenz der großen
europäischen Trawler ihre Fischgründe, das schrumpfende Einkommen führt
zur Verarmung der Bevölkerung, die weitgehend vom Fischfang lebt. Die -
vorwiegend jungen - Männer sehen keinerlei Zukunft mehr in ihren
Heimatländern und machen sich auf den lebensgefährlichen Weg übers Meer
nach Europa. Zehntausende Menschen sind in den letzten Jahren umgekommen.
Doch vor dem Hintergrund der aussichtslosen Lage in ihren Heimatländern
suchen immer mehr Afrikaner ihre Zukunft in Europa. Das wiederum schottet
sich mit immer aufwendigeren Grenzschutzmaßnahmen ab und schickt die
Gestrandeten umgehend zurück.
Eindrucksvolle Bilder von den halsbrecherischen Fahrten der
kleinen Fischerboote auf hoher See, bewegende Interviews mit gestrandeten
Flüchtlingen, Portraits senegalesischer und mauretanischer Fischer, die
ihre Existenz zu verliefen drohen, widersprüchliche Aussagen von
Politikern und Lobbyisten - der Film schildert, wie die EU-Politik mit
viel Geld immer neue Probleme schafft und wie der Preiskampf auf dem
europäischen Nahrungsmittelmarkt den Menschen im Süden die
Lebensgrundlage raubt und sie zur Flucht in die EU treibt: Was
Globalisierung von Wirtschaft und Märkten heißt und welche Folgen sie
für den einzelnen und für ganze Gesellschaften hat, wird in diesem Film
sichtbar.
Die Fischereilobby der EU drängt auf mehr Fangrechte, weil die
Fanggründe in den Meeren der EU-Länder überfischt sind, die Politiker
der westafrikanischen Staaten können noch nicht einmal die ausgehandelten
Übereinkommen kontrollieren.
„Alptraum im Fischerboot" lässt Fischer an
der senegalesischen und mauretanischen Küste zu Wort kommen, die von
Europa träumen, junge Männer, die trotz mehrerer vergeblicher
Fluchtversuche, es immer wieder versuchen wollen - und
solche, die traumatisiert von den Schrecken der Flucht
andere abhalten wollen und wissen, dass niemand auf sie hören wird.
Klaus Martens und Michael Grytz haben einen eindringlichen Film gedreht,
der den Anliegen der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer
globalisierten Welt" entspricht. Mit ihrer Geschichte behandeln sie
ein Thema, das auch in der Studie einen hohen Stellenwert hat, und
schildern in Bildern, was die Studie wissenschaftlich analysiert.
Der 20. Fernsehworkshop
Entwicklungspolitik findet statt in Kooperation mit der Aktion Weißes
Friedensband und der Melanchthon-Akademie Köln.
Für
finanzielle Unterstützung bedanken wir uns bei InWEnt aus Mitteln des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes
Nordrhein-Westfalen, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED), Katholischer
Fonds für weltkirchliche und entwicklungsbezogene Bildungs- und
Öffentlichkeitsarbeit.
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